Der 8. Zukunftskongress Staat & Verwaltung 2022 hat ´ 10 Handlungsfelder identifiziert, die aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre (bzw. Jahrzehnte) einen wesentlichen Beitrag leisten sollen, damit Staat und Verwaltung schneller im digitalen HEUTE ankommen. Die nachfolgenden Punkte beruhen auf Ergebnisinterpretationen von Studien von Wegweiser (u. a. Zukunftspanel Staat & Verwaltung) in Zusammenarbeit mit Hertie-School, weiteren Sekundärquellen sowie persönlichen Interviews mit der ZuKo-Community und sollen eine lebhafte, ergebnisorientierte Debatte auf dem Zukunftskongress befeuern.
(wird fortgeschrieben und erweitert)
1. Staat & Verwaltung brauchen eine wirkliche innere Motivation und Bereitschaft für einen Kultur- und Mentalitätswandel hin zu einer Dienstleistungsorientierung und mehr Agilität
Der Staat darf keine Zeit mehr verlieren: Er liegt weit zurück im Vergleich zur Privatwirtschaft und teilweise auch im Vergleich der europäischen Staaten. Als „Monopolist“ fehlen Wettbewerb und Kundenentscheidungen. Gleichzeitig bringt der Ukrainekrieg eine völlig neue politischen Situation. Schnelles Agieren und Anpassung staatlichen Handelns sind zwingend. Dafür braucht es für und zwischen den Verwaltungen geeignete Instrumente und Methoden wie agile Arbeitsformen, Audits, Customer Journeys, Stresstests, Benchmarks etc. Nur wer die richtigen Instrumente und die richtige Einstellung hat, kann erfolgreich sein. Und nur wer Erfolge sieht, kann auch motiviert werden.
2. Mit Veränderungen auch im Kleinen beginnen und nicht nur auf neue Vorgaben oder Strategien (von oben) warten.
Interne Digitalisierung vorantreiben, Führungsstil, neue Organisationsmodelle, Abbau von Hierarchien, agile Arbeitsformen und mehr Leistungsvergütung. Aus- und Weiterbildung als Voraussetzung für digitale Souveränität und den Mentalitätswandel verbessern, eine neue Offenheit für den Wechsel zwischen Privat und Staat schaffen, weniger „Partei“ und „Politik“ in fachlichen Führungspositionen. Jede Behörde sollte vorrangig prüfen, was in den Bereichen Digitalisierung, Personal- und Organisationsentwicklung jetzt am wichtigsten ist und dort beginnen. Dies erfordert aber auch das Vorleben der Leitung sowie der Anpassung grundlegender Rahmenvorgaben, zum Beispiel im öffentlichen Dienstrecht.
3. Föderale und europäische Zusammenarbeit im Zeitalter der Digitalisierung beschleunigen und digital unterstützen.
Aufgaben und Zuständigkeiten hinterfragen sowie eindeutige Verantwortlichkeiten schaffen. Deutschland in internationalen und relevanten Gremien zur Digitalisierung besser und koordinierter vertreten. Der europäische Verwaltungsraum muss so gestaltet sein, dass er auf nationaler Ebene nicht zu mehr, sondern weniger Verwaltung und nicht zu Doppelzuständigkeiten führt.
4. Es bedarf harmonisierter IT-Strategien im föderalen System, die umgehend eine Verbindlichkeit im Hinblick auf Architektur, Standards und Schnittstellen schaffen.
Strategie (IT-Planungsrat?) und Umsetzung (Digitalagentur?) sollten organisatorisch getrennt, die Kommunen als Hort der Demokratie und Fenster zu den Bürgerinnen und Bürgern besser eingebunden werden. Dafür sollte die Information über Fortschritte in den verschiedenen Kommunen weiter verbessert und eventuell auch durch vorübergehenden Personalaustausch kurzfristig gefördert werden. Am besten lernt man immer vom Erfolg anderer. Unterhalb der Setzung von Standards und Verbindlichkeiten: Freiheiten und Wettbewerb zulassen.
5. Eigenleistungsfähigkeit, operative Fähigkeiten und digitale Kompetenzen der Verwaltung erhöhen.
Digitale Souveränität insbesondere auf Ebene der EU: Technologisch an Alternativen und Wahlfreiheit arbeiten, die es insbesondere für IoT, 5G / Infrastruktur, Anwendungs-Software etc. bisher kaum gibt.
Konstruktive Kooperationsmodelle mit der Privatwirtschaft suchen - bei schnellem Ausbau der Auftraggeberfähigkeit. Beraterinnen und Berater sind sehr wichtig, aber sie sind besonders erfolgreich dort, wo auch auf Seiten der Behörde die entsprechende Befähigung besteht, Ratschläge zu verstehen, die Berater zielgerichtet einzusetzen und zu steuern sowie im Zusammenhang mit den eigenen Fähigkeiten maßgeschneidert für den Behördenbedarf umzusetzen. Also: Die Eigenbefähigung prüfen und eventuell schnell ertüchtigen.
6. An einer leistungsfähigen und konsolidierten IT-Infrastruktur arbeiten, die (möglichst) Ebenen übergreifend harmonisiert ist und sich schneller den Zukunftstechnologien wie Cloud oder KI öffnet.
Eine leistungsfähige und sichere IT-Infrastruktur einschließlich der Netze ist die Basis der Digitalisierung. Schneller umsetzen und Tatsachen schaffen, damit der Nutzen schnell und für alle sichtbar wird. Neue Geschäftsmodelle zwischen Staat und Privat ermöglichen; ordnungspolitische Spielregeln beachten.
7. Digitale Verwaltung und Umsetzung OZG: „Nicht verrennen und verzetteln“.
Konzentration beim Bund auf die wesentlichen „Hebel“ wie eID, Unternehmens-eID und Registermodernisierung. Sonst auf Freiheit und Wettbewerb setzen und “good practice” aus Kommunen, Ländern und Behörden identifizieren und weiter nutzen.
8. Datenschutz modernisieren: Datenschutz muss konstruktiver Partner der Veränderung und der digitalen Transformation werden.
Durch eine neue Offenheit und Transparenz den Staat als vertrauenswürdigen Nutzer der Daten positionieren und das dauerhaft vorleben. Datenschutz als konstruktiven Ermöglicher guter Lösungen, nicht als Verhinderer positionieren.
9. Mehr Innovationen ermöglichen und fördern sowie kürzere Innovationszyklen besser abbilden.
Innovationsfähigkeit und Modernisierung ist der Schlüssel zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung unter sich ändernden Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Demographie und komplexere Bedrohungsszenarien (Cyberkriminalität etc.). Die öffentliche Beschaffung daher vom Rechtsanwender zu einem strategischen Beschaffungsmanager entwickeln. Die GovTech-Gründerszene aktiv in das Innovationsmanagement einbeziehen und entsprechende vergaberechtliche Voraussetzungen schaffen. Fehler und Scheitern als konstruktive Begleiter der Veränderung verstehen.
10. Nachhaltige Entwicklung einer Investitionsfähigkeit des Staates im Umfeld der Modernisierung auch in schwieriger werdenden Haushaltslagen.
Angesichts enger werdender Haushaltslagen die Modernisierungsprojekte verbindlich an messbaren Zielen zur Effizienzsteigerung und Verbesserung der Services orientieren und diese auch tatsächlich messen (RoI).